Donnerstag, 15. November 2012

Kein Ende in Sicht: Militärische Operationen dominieren weiterhin den Konflikt im Nordkaukasus

Ende Oktober wurden von russischen Sicherheitskräften knapp 50 militante Kämpfer in der gesamten Nordkaukasusregion getötet. Denn auch wenn Nachrichten von dem anhaltenden Konflikt spärlich gesät sind, die Intensität der Auseinandersetzung hat in den vergangenen Monaten nicht abgenommen. 

Besonders in Dagestan fordern Bewaffnete die russische Staatsmacht heraus. In einem Artikel der Turkish Weekly vom 6. November heißt es:

Analysts say Daghestan has unquestionably deteriorated into the most unstable republic in the North Caucasus, a region wracked by conflict and insurgency. But why Daghestan? What are the factors that set the republic apart?
Like Ingushetia, Kabardino-Balkaria, and to a lesser extent Chechnya, Daghestan is a hotbed for the militant Islamist insurgency led by Doku Umarov that seeks to create a so-called pan-Caucasus Islamic caliphate.
Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Die Wurzeln des Konflikts liegen Jahrhunderte zurück. Der Widerstand, welcher vermehrt unter einem religiösen Banner ausgefochten wird, zehrt dabei von einer wachsenden Ungleichheit, Arbeitslosigkeit, korrupten Behörden und Menschenrechtsverstößen der Armee. Kurz zu den Hintergründen:




Die Regierenden in Moskau betonen gerne den religiös extremistischen Charakter der Aufständischen. Dies findet auch international Gehör und so klebt auf den Operationen des Militärs das Label: Anti-Terror-Kampf. Doch wie oben erwähnt greift solch eine Sichtweise zu kurz.

In Dagestan wird aber deutlich, dass die Instrumentalisierung des alten Konflikts längst Spannungen zwischen den verschiedenen Glaubensgruppen produziert. So sollen Angehörige sufistischer Gemeinden und salafistische Gläubige mehrere Imame bei Vergeltungsaktionen getötet haben. Auch wenn die Hintergründe nicht ganz klar sind, fest steht: in den vergangenen Jahren wurden 37 Imame im Nordkaukasus getötet.

Analysten halten vor allem den fehlgeschlagenen Prozess der Staatenbildung Grundlage für die anhaltende Gewalt ist. eurasia review schreibt in einem Artikel vom 24. Oktober:

The challenge of ethnic nationalism has been most evident in Chechnya, where two bloody wars caused tens of thousands of deaths. The failure of the Chechen state-building project and the ruthless manner in which Moscow responded to the separatist movement there helped transform the nationalist cause into an Islamist one, with a jihadi component. The conflict had a profound effect on the entire region across which the insurgency has now spread.
Ganz verborgen geblieben ist diese Entwicklung den Verantwortlichen in Moskau nicht. Der Journalist Tom Parfitt konstatiert in einem Artikel für The Telegraph:
How to break the cycle of violence? In the last three years, the Kremlin showed signs of diversifying its efforts to douse the insurgency, acknowledging that crushing force alone can not be victorious.
Eine Kommission solle militanten Kämpfern eine Rückkehr ins zivile Leben ermöglichen. Kritiker zweifeln an der Wirksamkeit. Ohne Frage kann die Kommission nichts an den Ursachen des Widerstandes ändern.

Angesichts des bisherigen Vertrauens auf eine Politik der harten Hand aber ein Schritt in die richtige Richtung. Davon sind aber eben deutlich mehr notwendig. Denn insgesamt wurden im September 2012 574 Aufständische, Sicherheitskräfte und Zivilisten bei Feuergefechten oder Anschlägen getötet. 


Fast täglich gibt es Zwischenfälle. Es wird versucht angeblich erfolgreiche Strategien zu adaptieren. In Tschetschenien wird vor allem eine sufistische Strömung gefördert, jegliche Abweichung unterdrückt und mutmaßliche Kämpfer mit aller Härte verfolgt. Ein Dialog scheint hier kaum möglich zu sein. 

Die Moscow Times beschreibt die skurril anmutende Situation, welche unter Aufsicht des berüchtigten Präsidenten der Teilrepublik, Ramzan Kadyrov, herrscht. Schon in der Schule beginnt jetzt der Versuch eine als akzeptabel betrachtete Ströumung des Islam zu fördern:
Kadyrov sought to raise his Islamic credentials earlier this year by bringing what he said were relics of the Prophet Muhammad to Grozny, where they were displayed to men for three days and to women for one. Since then, he has said he will remain the guardian of the relics, which include strands of what he deems to be the prophet's beard.
Kremlin officials do not express worry in public over the increasing role Islam has played, and analysts say Kadyrov will remain loyal to Putin. But the very personal nature of their relationship is also its weakness, said Alexei Mukhin, head of the Moscow-based Center for Political Information.
"Putin depends on Kadyrov and Kadyrov on Putin," he said. "The relationship between Chechnya and Moscow depends directly on that personal relationship, and if either of them were, God forbid, not to be in power, then that relationship could change drastically."
Doch das staatliche Vorgehen an sich ist ein großer Teil des Problems. Menschenrechtsverletzungen sind keine Relikte aus dem Kaukasuskrieg, der offiziell im Jahr 2000 endete, sondern ein feste Begleiterscheinung der Aufstandsbekämpfung. Guner Ozkan, vom türkischen Think-Tank USAK Center for Eurasian Studies, schrieb Ende Oktober:
The terrorist attacks which expanded through the Northern Caucasus intensified the armed struggle the Russian government was having against terrorism, and boosted number of human rights violations originating from the unlawful actions of state security members. It is unlikely that Russia will be able to resolve the problem of terrorism in the Northern Caucasus by simply trying to bring down unemployment and by adopting a moderately Islamic approach to the region. Russia can only succeed in doing this when it puts an end to the human rights violations and deliver justice as injustice keeps yearning for revenge in the region.
Erst Anfang dieser Woche kehrten größere Kontingente der Armee zurück in die Aufstandsgebiete. Vor den olympischen Winterspielen 2014 in Sotchi, das nur wenige Hundert Kilometer entfernt von den Konfliktregionen liegt, soll möglichst geräuschlos das Sicherheitsniveau signifikant angehoben werden. 

Moderate Ansätze des peace building sollen so militärisch flankiert werden. Ob dies angesichts der oben angesprochenen Probleme zu Erfolgen führen wird, scheint indes kaum vorstellbar.

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